Drei Sprints für die Zukunft – REMI-Werkstattbericht

Ein Konzept zur Ermittlung von relevanten Zukunftskompetenzen für ihr Unternehmen: Daran arbeiten seit mehr als einem halben Jahr Mitarbeitende und Führungskräfte von IAV zusammen mit Wissenschaftlern des ISF. Ihr Ziel: „Vor die Welle kommen.“ Ein Zwischenbericht aus dem Praxislaboratorium des Projekts REMI („Organisationale Resilienz im ‚Mitmachunternehmen‘“):

„Was glaubst du werden Mitarbeiter bei IAV generell in fünf Jahren vor allem können müssen, damit das Unternehmen in Zukunft erfolgreich ist?“, das ist eine der zentralen Fragen eines Katalogs zum Thema Future Skills. Die Umfrage haben Mitarbeitende des Unternehmens IAV in Berlin für ihre Kolleg:innen an verschiedenen Standorten in zwei Sprints erarbeitet. Sie wurde von November 2024 bis Januar 2025 bei IAV durchgeführt. Insgesamt haben sich über 800 Mitarbeitende daran beteiligt. Die Ergebnisse werden gerade ausgewertet. Das erklärte Ziel ist, „vor die Welle zu kommen“, in dem man herausfindet, welche Kompetenzen in Zukunft für das Unternehmen von Bedeutung sind.

Seit dem Kick-Off des Praxislaboratorium im Sommer 2024 arbeitet man bei IAV nicht nur aus der Mitarbeitenden-Sicht an dem Thema Future Skills, parallel beschäftigt sich auch eine zweite Arbeitsgruppe im Unternehmen mit der Perspektive der Führungskräfte, während die Wissenschaftler des ISF München den entsprechenden Forschungsstand aufarbeiten.

Das ISF-Team unterstützt die IAV-Kolleg:innen gleichzeitig in ihren Arbeitsprozessen, moderiert und koordiniert die Zusammenarbeit. Die Methode des Praxislaboratoriums wurde vom ISF entwickelt und bereits in anderen Organisationen erprobt. Im Lab sind insgesamt drei Sprints vorgesehen, in denen Ergebnisse erarbeitet werden, die jeweils nach Sprintende von einem Lenkungskreis (zusammengesetzt aus Führungskräften, Betriebsrat und HR) begutachtet werden. Außerdem treffen sich die Arbeitsgruppen nach jedem Sprint mit dem ISF für eine Retrospektive, in der sie nach der DAKI-Methode die Arbeitsmethode und die Zusammenarbeit evaluieren und optimieren.

Der Mitarbeitenden-Workstream

Die erste Arbeitsgruppe hat die Mitarbeiterbefragung inhaltlich und methodisch vorbereitet. Das REMI-Projekt wurde im Intranet bekannt gemacht, ein Fragenkatalog entwickelt und designt, die Auswertungsmethode geplant und mehrere Pre-Tests für den Feinschliff durchgeführt. In der Umfrage sind viele offene Freitextfelder enthalten, die den Beschäftigten die Möglichkeit geben, ihr Wissen direkt einzubringen und nicht bloß einen vorgegebenen Kompetenzkatalog durchzuklicken.

Ziel ist es, auf diese Art und Weise das Wissen der Mitarbeitenden als Expert:innen ihrer Arbeit zu nutzen, um die Top Future Skills für IAV zu identifizieren. So können Erkenntnisse über eine potentielle Weiterentwicklung der Qualifizierungsangebote im Unternehmen erzielt werden. Durch die Berücksichtigung der Sicht der Belegschaft wird außerdem die Resilienz des Unternehmens gefördert.

Der Führungskräfte-Workstream

Die zweite Arbeitsgruppe hat ein Framework für eine kompetenzbasierte Personalplanung erarbeitet. Ziel ist es, dieses in einen bestehenden Planungsprozess zu integrieren, um aus Führungskräfte-Sicht eine komplementäre Perspektive auf die Future Skills zu erhalten und daraus beispielsweise Schulungsmaßnahmen ableiten zu können.

Damit wird der Fokus in HR zunehmend auf Kompetenzen und kompetenzbasierte Personalplanung gelegt und so ein gewichtiger Beitrag zur Organisationsentwicklung geleistet, der das Selbstverständnis der Organisation grundlegend verändert.

Die Wissenschaft

Parallel haben ISF-Wissenschaftler den aktuellen Forschungsstand zum Thema „Zukunftskompetenzen/Future Skills“ für den REMI-Experimentierraum aufbereitet. Vorhandene Ansätze und Studien wurden gesichtet und in einer umfassenden Präsentation festgehalten. 15 Studien, in denen es um Zukunftskompetenzen geht, wurden ausgewertet, tabellarisch gelistet und schließlich zu fünf Top-Future-Skill Clustern zusammengefasst: Software- und Datenkompetenz als Kernkompetenzen für die Informationsökonomie, die agilen Kompetenzcluster (Selbstorganisation und Eigenverantwortung, Kooperation und Kommunikation, Kreativität und Innovation) sowie Resilienz als eigenständiges Kompetenzcluster, das vor allem auf den Umbruchcharakter der Transformationsprozesse in den Unternehmen selbst zurück geht. Diese fünf Future-Skill-Cluster dienen als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Models zur Identifizierung der unternehmensspezifischen Future Skills für IAV im Zuge der Auswertung der Mitarbeitendenbefragung sowie der Führungskräfte-Sicht.

Zudem stellten die ISF-Wissenschaftler fest, dass für die bisherigen Studien meist wissenschaftliche Expert:innen befragt oder Vorreiterorganisationen untersucht wurden. Beschäftigte als Expert:innen ihrer Arbeit waren bisher nie in die Ermittlung von Zukunftskompetenzen einbezogen worden, was als „besondere Lücke“ gewertet wurde. Die Befragung der Mitarbeitenden bei IAV durch das Lab-Team im REMI-Projekt ist somit eine wichtige Neuerung in der Forschung zu Zukunftskompetenzen für die Arbeitswelt.

Text: Eva Meschede