Die Arbeitswelt verändert sich, Gesellschaft und Wirtschaft müssen sich darauf einstellen. In dieser Situation wird viel über Resilienz diskutiert. Wie kann sie Gesellschaft und Unternehmen in der Transformation helfen?
Warum ist Resilienz aktuell ein so wichtiges Thema?
„Wir reden deshalb gerade so viel über Resilienz, weil wir einen grundlegenden Umbruch bewältigen müssen. Im Paradigmenwechsel müssen wir viele Dinge neu denken, neu verstehen, anders machen, als wir es gewohnt sind“, erklärt Soziologie-Professor Andreas Boes, der am ISF München erforscht, wie der Wandel zur Informationsökonomie menschlich gestaltet werden kann. Resilienz wird in Umbrüchen oder Krisen wichtig. Derzeit findet mit der digitalen Transformation ein tiefgreifender Paradigmenwechsel in Ökonomie und Gesellschaft statt, vergleichbar mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Beim Wandel zu einer „Informationsökonomie“ werden Daten zum neuen Produktionsmittel und zum Mittelpunkt der Wertschöpfung. Das bedeutet, die altbekannte Arbeitswelt ändert sich auf allen Ebenen, neue Geschäftsmodelle und Berufe entstehen, alte verschwinden, bekannte Hierarchien und Organisationsstrukturen wandeln sich, es geht um eine tiefgreifende Neuorientierung.
Die zentrale Frage sei jetzt, wie die anstehenden Veränderungen für die Gesellschaft positiv bewältigt werden können. Das Konzept der Resilienz biete dafür aber auf den ersten Blick nur eine unzureichende Handlungsorientierung, so Soziologe Boes.
Was ist gesellschaftliche Resilienz?
Laut Duden bezeichnet Resilienz die „Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen“. Als resilient werden in der Psychologie Menschen bezeichnet, die sich von traumatischen Ereignissen und Schicksalsschlägen gut erholen und ihr Leben neu ordnen können. Ursprünglich kommt der Begriff aber aus der Materialwirtschaft. Er beschreibt die Fähigkeit eines Stoffs, wie zum Beispiel Gummi, sich zu verformen und anschließend wieder in die Ursprungsform zurückzukehren. „Gesellschaftlich brauchen wir allerdings eine grundlegend neue, vorwärts gerichtete Anpassungs- oder Veränderungsstrategie“, sagt Soziologe Boes. Ein Festhalten am vermeintlich Bewährten oder nur bisschen Erneuerung funktioniere jetzt nicht. Daneben sei es nicht sinnvoll, den Blick ausschließlich auf die individuelle Resilienz von Menschen zu richten und etwa die Verantwortung für grundlegende Veränderungen in Unternehmen nur bei den einzelnen Mitarbeitenden zu suchen. Vielmehr brauche es ein Verständnis von Resilienz auf organisationaler und gesellschaftlicher Ebene: „Es muss uns gelingen, die paradigmatische Neuorientierung zu einer Herausforderung für die ganze Gesellschaft zu machen.“ Mit Menschen, die Lust auf Zukunft haben, die bereit sind, etwas zu verändern. Das Problem in wohlhabenden Ländern wie Deutschland sei aber, dass viele Menschen eher den Verlust in den Vordergrund stellen. Dass sie Angst haben, ihren Besitz oder Status zu verlieren. Um sie zu aktivieren, müssten sie auf vielen Ebenen in den Wandel einbezogen werden. Die Transformation sollte gemeinsam bewältigt, statt von oben verordnet werden. Die Handlungsfähigkeit der Menschen müsste dafür erweitert werden. Zumal Umfragen beweisen, dass Menschen Veränderungen umso positiver sehen, je mehr sie an der Gestaltung der Zukunft beteiligt werden. Und komplexe Lösungen wie die derzeitige Transformation erforderten die aktive Beteiligung vieler.
Wie könnte ein gutes Konzept für organisationale Resilienz in der Transformation aussehen?
Organisationale Resilienz bezeichnet die Fähigkeit von Unternehmen oder Organisationen einen Wandel erfolgreich zu meistern. Vor allem die Wirtschaft muss derzeit auf veränderte Rahmenbedingen reagieren und sich anpassen. „Auch für die einzelnen Unternehmen gibt es kein Zurück zum Urzustand; wir machen jetzt alles weiter so wie vor zehn oder zwanzig Jahren, wird nicht funktionieren“, sagt Boes. Die Frage sei, wie gehe es in die Zukunft? Wie können sich Unternehmen im Umbruch resilient aufstellen? Auch hier hat die Forschung gezeigt, dass Veränderungen besser und schneller vorangehen, wenn Mitarbeitende beteiligt werden und ihr Handlungsspielraum erweitert wird. Empowerment und Partizipation werden zum Erfolgsfaktor. Deshalb braucht es Konzepte, wie die des „Mitmachunternehmens“ bei IAV, die erproben, wie organisationale Resilienz gestärkt und der Wandel in Unternehmen nachhaltig gestalten werden kann.